Müntefering warnt vor schwarz-gelbem Fortbestand

Engelskirchen – Der frühere SPD-Bundesvorsitzende schaute am Abend in Engelskirchen vorbei und ließ kein gutes Haar an Bankern sowie Bundes- und Landesregierung. Bergneustadt, Engelskirchen, Wiehl, Reichshof, Nümbrecht, Waldbröl und Morsbach. Für Franz Müntefering ist es ein leichtes, die südlichen oberbergischen Kommunen aufzuzählen. Unzählige Male hat er auf der A4 das Bergische durchquert und die Namen auf den Schildern gelesen, als der Sauerländer von Bonn aus auf dem Weg in seine Heimat war. Gestern bog er zur Erleichterung von SPD-Landtagskandidat Dr. Roland Adelmann und vielen  Genossen und Interessierten rechtzeitig von der Autobahn ab und stimmte die Sozialdemokraten in der Looper Schützenhalle auf die Wahl am 9. Mai ein.

Direkt zu Beginn warnte er davor, die derzeitigen Querelen der Bundesregierung als Vorteil für die Opposition zu sehen: „Die eiern aktuell noch rum, wissen aber ganz genau, was sie da betreiben und sollte die FDP bei der NRW-Wahl erfolgreich sein, dann wird Westerwelle bärenstark.“ Welche Folgen dies seiner Meinung nach für die Menschen habe, zeige die Entwicklung im Gesundheitssystem: „Die drohende Kopfpauschale entlastet vor allem die Arbeitgeber, während die Schwächeren im System noch mehr Last aufgebürdet bekommen. Die Liberalen versuchen genau das, was Barack Obama in den USA gerade abschaffen will.“ Bislang gelte das deutsche Gesundheitssystem als vorbildlich in der Welt, doch man müsse aufpassen, nicht radikal abzurutschen.

Angesichts von Millionen-Boni nahm der frühere Arbeitsminister auch die Banker ins Visier. „Während Deutsche Bank-Chef Ackermann 1,2 Millionen Grundgehalt und 12,8 Millionen Zuwendungen kassierte, müssen sich andere Menschen, die 180 Stunden pro Monat schuften, mit 550€ monatlich zufrieden geben“, kritisierte Müntefering. Er habe nichts gegen leistungsgerechte Bezahlung, nur könne er diese bei vier Milliarden Euro Verlust nicht erkennen. Darum forderte er EU-weite Regeln für die Finanzmärkte, die sich auch auf Steuerflüchtlinge beziehen: „Wie kann es sein, dass jemand ungestraft davon kommt, wenn er wissentlich Geld am Fiskus vorbei ins Ausland schleust, um dies vielleicht nachher kleinlaut ohne große Konsequenzen zuzugeben“, fragte er in die Runde.

Zur besseren Kontrolle forderte der damalige Vizekanzler eine Finanzmarktsteuer, um Spekulationen an der Börse Einhalt zu gewähren: „Es soll verhindert werden, dass Banker mit unserem Geld Russisch Roulette spielen.“ Für ebenso gewagt hält er die Planungen der Bundesregierung, dass künftig Kommunen Abschreibungen auf die Einkommenssteuer durchführen sollen. Damit würde die Schuld auf die unterste Politikebene abgeschoben werden, obwohl die Verantwortlichen in Berlin und Düsseldorf sitzen. „Die Folgen sind verärgerte Bürger und der Abbau von Büchereien und Schwimmbädern, weil die Städte und Gemeinden diese dennoch nicht weiterfinanzieren können“, bemängelte Müntefering. Die Selbstversorgung müsse weiter oberstes Gebot in der Politik haben, ansonsten gehe die Demokratie „hopps“. Ein Sparkommissar wäre da der völlig falsche Weg, da somit nur die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen eingeschränkt wird, ohne das es zählbare Erfolge gebe.

Lob fand er vor allem für die Lokalpolitiker, die immer wieder den Kopf für andere hinhalten. „Die meisten Besserwisser sitzen auf der Tribüne, meckern rum, aber weigern sich, selbst in die Manege zu steigen“, so der Gastredner. „Nur wer sich anpackt, hat das Recht Kritik zu äußern und ist tausendmal fähiger, als diejenigen, die nur gucken.“ Eine einheitliche Demokratie könne es nicht geben, da schon in einer Zwei-Mann Partei unterschiedliche Meinungen vorherrschen würden.

„Menschen sind nicht gleich, aber gleich viel Wert“. Dieser Grundsatz jeder Demokratie müsse weiter gelten. Darum warnte er vor einer Zweiklassengesellschaft, die bereits zu Schulzeiten anfange und sich bis zur Rente durchziehen würde. „Wer schwach ist, hat das Anrecht auf Hilfe und wir müssen uns dafür schämen, welche Diskussionen zurzeit in Deutschland geführt werden“, schoss er unter dem Applaus der Engelskirchener Sozialdemokraten in Richtung Westerwelle und FDP.

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